Sieben Titel: Goldener Sonntag in Braunschweig
Ohne Zuschauer, unter strengsten Hygiene-Vorkehrungen, mit lediglich 999 Personen im Stadion, reduzierten Teilnehmerfeldern, Musikuntermalung statt stimmungsvolles Klatschen. Für viele Athleten war es das einzige richtige Ziel in dieser Saison. Für die Athleten aus Baden-Württemberg brachte der Sonntag (nach DM-Titeln für Elena Burkard, Stefanie Dauber, Alina Kenzel, Ricarda Lobe und Matthias Bühler am Samstag) sieben Deutsche Meistertitel durch Malaika Mihambo (LG Kurpfalz), Carolina Krafzik, Constantin Preis (beide VfL Sindelfingen), Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen), 200 Meter Siegerin Jessica Bianca Wessolly (MTG Mannheim), Alina Reh (SSV Ulm 1846) und Ex-Weltmeister Johannes Vetter (LG Offenburg).
Die Weltmeisterin ist auch aus kurzem Anlauf nicht zu schlagen: Am zweiten Tag der Deutschen Meisterschaften in Braunschweig sorgte Malaika Mihambo am Sonntag mit 6,71 Metern und Gold im Weitsprung für eines der Highlights. 6,60 bis 6,70 Meter: Das hatte Weitsprung-Bundestrainer Ulrich Knapp Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) auch aus verkürztem Anlauf zugetraut. In Braunschweig rannte die Weltmeisterin mit 16 Schritten in Richtung Grube, bei ihrer 7-Meter- und Siegesserie im Vorjahr waren es 20 gewesen. Bei der DM brauchte Deutschlands „Sportlerin des Jahres“ 2019 drei Versuche, bis der Abstand zum Brett passte. Dann flog sie bis auf 6,63 Meter und 6,71 Meter – absolute Weltklasse!
"Mit der Weite bin ich zufrieden", befand die Weltmeisterin. "Ich werde dieses Jahr auch den Anlauf nicht mehr verlängern, sondern weiterhin aus 16 Schritten springen. In der Vorbereitung lief es nicht so, wie ich es mir gewünscht hatte. Ich habe mir zudem genügend Zeit genommen, meine Rückenverletzung auszukurieren."
Die Langhürden bleiben in Deutschland fest in Sindelfinger Hand. Bei den Frauen ließ Carolina Krafzik keinen Zweifel, dass sie nach dem überraschenden Rücktritt von Jackie Baumann (LAV Stadtwerke Tübingen) wenige Tage vor den Meisterschaften, ihren Titel nicht verteidigen könnte. Mit einer Steigerung auf 55,89 Sekunden, der drittbesten Leistung ihrer Karriere, holte sich die 25-jährige aus Niefern-Öschelbronn ihr zweites DM-Gold. „Es hat alles gepasst“, stellte die angehende Grundschullehrerin mit einem strahlenden Gesicht fest.
Die große Überraschung lieferte hier mit Lisa Sophie Hartmann ab. Die junge VfL-Athletin verbesserte ihre Bestleistung um fast unglaubliche 1,72 Sekunden auf 57,27 Sekunden und wurde mit der Bronzemedaille belohnt. Hartmann hatte damit den Hausrekord ihrer Mutter, die als Margit Grötzinger Deutsche Juniorenmeisterin geworden war, gebrochen. Für den „Trainerfuchs“ Werner Späth brachte Braunschweig ein Novum: „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich schon einmal zwei Athleten im selben Wettbewerb auf dem Treppchen hatte.“
Constantin Preis, mit 49,49 Sekunden Weltjahresbester über 400 Meter Hürden, ging verhalten an und landete mit einem starken Finish auf der Zielgeraden einen sicheren Sieg in 49,58 Sekunden. „Die Zeit war heute unwichtig, es ging allein um die Titelverteidigung“ meinte der Sindelfinger. In den nächsten Rennen will er aber bereits die Olympianorm (48,90 sek) angreifen: bei den Diamond League-Meetings in Monaco und Rom sowie beim ISTAF in Berlin.
Abwarten, und dann zuschlagen. Auch über 1.500 Meter war diese Taktik Gold wert: Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen) sprengte auf der letzten Runde das Feld und konnte sich auf ihren unwiderstehlichen langgezogenen Spurt verlassen. Leichtfüßig sprintete sie nach ihren Hallentiteln über 1.500 und 3.000 Meter in 4:13,71 Minuten ihrem dritten DM-Gold des Jahres entgegen.
„Jetzt habe ich eine komplette Medaillensammlung von Deutschen Meisterschaften zusammen“, kommentierte Kugelstoßer Simon Bayer (19,31 m) seinen zweiten Platz hinter David Storl. Der Leipziger holte sich mit 20,17 Meter seinen neunten nationalen Titel.
Bianca Jessica Wessolly (MTG Mannheim) bewies über 200 Meter enormes Stehvermögen und fing auf den letzten Metern ihre Konkurrentinnen noch ab. Sieg und Goldmedaille mit 23,07 Sekunden. Daumen hoch bei Wessolly als sie die Bahn verlässt.
Alina Reh absolvierte ein Solorennen auf dem Weg zu ihrem zweiten DM-Titel über 5000 Meter und war mit ihren 16:08,33 Minuten nie gefährdet. Ich bin froh, dass wir hier starten konnten. Die Hitze sehe ich als Chance, weil wir im nächsten Jahr in Tokio noch schwierigere Bedingungen haben werden“, zog die Laichingerin ihr Fazit.
Die wertvollste Leistung der Titelkämpfe lieferte der Ex-Weltmeister Johannes Vetter im Speerwerfen zum Schluss der Meisterschaften ab. Mit 87,32 Meter warf Vetter die zweitbeste Weite weltweit in diesem Jahr. „Der rutschige Belag hat heute weitere Würfe gekostet", erklärte Johannes Vetter. Trotzdem 87 Meter zu werfen, war unter diesen Bedingungen spitze. Auch Silber ging in diesem Wettbewerb nach Baden-Württemberg: Andreas Hofmann von der MTG Mannheim kam mit seinem besten Wurf auf 77,35 Meter – mehr war verletzungsbedingt in Braunschweig für ihn nicht drin.
Der Weitsprung der Männer kam es zum erwarteten Duell zwischen Julian Howard (LG Region Karlsruhe) und Maximilian Entholzner (LAC Passau). Der Deutsche Meister von 2017 aus Karlsruhe legte in Runde eins mit 7,70 Metern vor. Bei schwierigen Windbedingungen mit viel Wind von vorn tat sich Entholzner lange schwer und lag bis Runde fünf nicht einmal in den Medaillenrängen. Dann hob er ab und segelte bis auf 7,96 Meter. Damit ging der Titel an den Passauer, für Julian Howard gab es Silber.
Gold über 800 Meter ging erwartungsgemäß an Marc Reuther (LG Eintracht Frankfurt) in 1:46,97 Minuten. Spannend wurde es hinter ihm: Seite an Seite spurteten Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe; 1:47,44 min) und Dennis Biederbick (LG Eintracht Frankfurt; 1:47,51 min) die Zielgerade entlang, mal lag der eine vorn, mal knapp der andere. Im Ziel konnte sich Kessler nach einer langen Verletzungsmisere über Silber freuen.