Malaika Mihambo – Der fliegende Engel
Diese Weltmeisterschaft war schon im Vorfeld umstritten, konnte aber in der zweiten Wochenhälfte die Ansprüche einer WM erfüllen. Hochspringer Mutaz Essa Barshim elektrisierte mit seinem WM-Titel die Katari und löste einen Freudentaumel aus. Der sympathische Athlet lebt neben seiner Leistung (2,37 Meter) auch von der Ausstrahlung und zog selbst den Scheich in seinen Bann. Er ist zum Volkshelden geworden, zu einer Identifikationsfigur für die arabische Sportwelt.
Malaika Mihambo nähert sich Heike Drechsler
Schnell, smart, grazil - so präsentiert sich Malaika Mihambo an der Sandgrube. Mit diesen Attitüden wurde sie am Sonntag in Doha überlegen Weltmeisterin, mit 7.30 Meter weltbeste Weitspringerin. Sie ist damit zur zweitbesten Athletin aller Zeiten im DLV aufgestiegen. Nur „Ikone“ Heike Drechsler die zweifache Olympiasiegerin und Weltmeistern, die letzte deutsche Weltmeisterin 1993 in Stuttgart, ist mit 7,48 Meter jemals weiter gesprungen.
„Gold - wie cool und stark, Malaika ist einfach nur top, weiter so“ lobte Drechsler den neuen Weitsprungstar von der LG Kurpfalz. Die Stärke ihrer Nachfolgerin sei ihre Technik und mentale Stärke, sagt Drechsler. Einen Vergleich lehnt sie ab. „Sie ist Malaika und ich bin ich“, betont die ehemalige Athletin, die 26 internationale Medaillen gewonnen hat. Dafür zieht die heutige 54-Jährige eine Parallele zu Jackie Joyner-Kersee, der Doppel-Olympiasiegerin und vierfachen Weltmeisterin aus den USA.
Mihambo tauchte in eine Jubelarie ein: leichtfüßig trabte sie auf der Ehrenrunde durchs Khalifa-Stadion, zum Fernsehinterview und dann vor die nationalen und internationalen Medien ein. „Ich kann das alles noch nicht richtig realisieren“, gestand eine völlig überwältigte Weitspringerin, „mir fehlen eigentlich die Worte“. Nach den beiden ersten Sprüngen hatte sie Druck verspürt, weil sie nach einem Sprung auf 6,52 Meter und einem ungültigen Versuch auf alles oder nichts setzte.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in Mihambos Schnelligkeit. Sie ist mit 11,21 Sekunden die viertschnellste deutsche Sprinterin in diesem Jahr und rennt mit einer Geschwindigkeit von über 35 Kilometer pro Stunde auf das Brett und setzt zum Flug an. „Ich habe mir das erarbeitet“, sagt die 1,70 Meter große Athletin, die seit ihrem elften Lebensjahr von Ralf Weber trainiert wird. Die 25-jährige Malaika ist mit Ballett, Judo und Turnen in den Sport eingestiegen und dann in der Weitsprunggrube gelandet. Ihr Vorname Malaika ist arabisch und heißt sinnigerweise „Engel“. Nur, dass sie ohne Flügel erfolgreich in den Nachthimmel von Doha segelte. Ihr Vater stammt aus Sansibar, die Mutter aus Deutschland.
Neun Siege, ungeschlagen 2019!
Neun Siege in neun Wettkämpfen hat sie 2019 abgeliefert, eindrucksvoller konnte sie ihre Überlegenheit kaum darstellen. Man muss lange überlegen, um eine Athletin oder Athleten zu finden, der weltweit eine solche dominierende Rolle spielt wie Malaika Mihambo. Nach einem Bachelor-Abschluss in Politik studiert sie derzeit Umweltwissenschaften.
Die Europameisterin von Berlin hat die Vergabe der Leichtathletik-Weltmeisterschaften nach <link https: www.sueddeutsche.de thema katar>Katar wegen der klimatischen Umstände kritisiert. "Ich finde so etwas nicht gut, die sozialen, politischen und Umwelt-Aspekte sollten bei der Vergabe mit einbezogen werden", sagte die Weltmeisterin gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Angesichts der weltweiten Energie-Diskussion" hätte man das Kalifa-Stadion auch weniger heruntertemperieren können, dann würde man weniger Energie verbrauchen", sagt Mihambo. Zu ergänzen ist, dass bei den Kältemaschinen auch Solarenergie in Verbindung mit Gas zum Einsatz kommt.
In sich ruhen, auf den Moment konzentrieren, das schafft Malaika Mihambo auch mit Hilfe der Meditation, die sie seit einem Jahr betreibt. Wer Mihambo in Doha aus der Nähe begleiten konnte, musste erstaunt feststellen, wie sie mit dem Anspruch und Druck umgehen kann. Zum ersten Mal kann man auch über den Deutschen Rekord nachdenken. 18 Zentimeter fehlen noch zu Heike Drechslers Marke. Noch schneller will sie werden und damit zu noch weiteren Flügen ansetzen. Offensichtlich hatte Mihambo auch von der guten Stimmung im Stadion profitiert, für die auch einige deutsche Fans verantwortlich waren.
Was kommt nach so einer überragenden Leitung? „Urlaub, vier Wochen nach Thailand“, sagt sie. Danach will sie zurückkommen und mit der Olympiavorbereitung beginnen. Damit sie ihre Flugshow auch in Tokio fortsetzen kann. Der Olympiasieg wäre schließlich das Sahnehäubchen auf eine außergewöhnliche Karriere.
Zweite WM-Medaille für Johannes Vetter
Nach WM-Gold 2017 nun WM-Bronze in Doha. Johannes Vetter musste sich im Speerwurf-Finale in Doha nur knapp geschlagen geben. Nach der Qualifikation hatte der Offenburger noch gehofft, dass die sehr gute Qualifikation mit über 89 Meter eine gutes Omen wäre, wie es schon zwei Jahre zuvor in London war.
Mit 85,37 Metern musste sich der Titelverteidiger nur dem Überraschungssieger Anderson Peters (Grenada; 86,89 Meter) und dem Esten Magnus Kirt (86,21 Meter), der sich im fünften Durchgang an der Schulter verletzte und auf einer Trage aus Stadion gebracht werden musste, geschlagen geben. Bundestrainer Boris Obergföll monierte bei seinem Schützling das zu flüchtige Setzen des Stemmbeins, um auf die ganz großen Weiten zu kommen.
Im Vorfeld dieser WM wurde Johannes Vetter immer wieder durch Verletzungen gebremst. Erst plagten ihn Rückenschmerzen, dann die Adduktoren, danach kämpfte er mit Fußproblemen. Ein abgesplittertes Knorpelstück soll bald nach der WM operiert werden.
Dennoch war Vetter im Vorfeld der WM nochmals prächtig in Form gekommen, landete er in Minsk mit 90,03 Meter ein überragendes Ergebnis, das ihn schnell wieder in die Favoritenrolle hievte. Die Leistung in der Quali hat das bestätigt.
„Mit meinem Leistungsniveau hätte ich heute Gold holen können. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass ich Gold verloren habe, sondern dass ich Bronze gewonnen habe“ diktierte er den zahlreichen Journalisten in die Blöcke, „es war ein sehr anstrengendes Jahr“. Vetter wertete sein Abschneiden „als eine Willensleistung, dass ich über meinen körperlichen Verstand hinaus gekämpft und noch Bronze gewonnen habe“. Er sei stolz auf seine Leistung, so Vetter.
Kessings Bilanz
„Organisatorisch ist diese WM für uns hervorragend gelaufen“ bilanzierte DLV-Präsident Jürgen Kessing bereits am Vortag . Am Anfang sei der Zuschauer-Zuspruch nicht ganz so wie gewünscht gewesen, aber das sei bei der EM in Berlin auch so gewesen. „Unsere Gesamtbilanz ist gut, insgesamt hat sich das Team gut verkauft.
Neuerungen
Es gab einige Neuerungen bei dieser WM. Die Präsentation der Laufwettbewerbe mit Licht- und Showeffekten war eine echte Bereicherung, auch die Vorstellung mit mobilen Tafeln zur optischen Aufbereitung, wie schon die vielen „Aaahs“ im Stadion verdeutlichten. Die Zusammenlegung von Sieben- und Zehnkampf dagegen war ein Flop, weil es für die Zuschauer schwierig war, die vielen Disziplinen wahrzunehmen und zuverfolgen. Das hat beiden Mehrkämpfen die Aufmerksamkeit genommen.