Jürgen Scholz – Vom Sprinter zum Dauerläufer
  16.09.2022 •     WLV , Top-News WLV , BW-Leichtathletik


Beim Württembergischen Leichtathletik-Verband (WLV) steht am kommenden Sonntag beim Verbandstag in Bad Liebenzell ein historischer Führungswechsel an. WLV-Präsident Jürgen Scholz (Sersheim) tritt nach 18 Jahren als dienstältester WLV-Präsident zurück.

Scholz ist seit wenigen Wochen Präsident des Landessportverbands (LSV) Baden-Württemberg und damit ranghöchster Sportfunktionär im Land. Jürgen Scholz (61), der weitere Ehrenämter, darunter als DLV-Vizepräsident und Präsident des Süddeutschen Leichtathletik-Verbands, bekleidet hat, zieht im Gespräch mit Ewald Walker Bilanz seiner langen Ära in der Leichtathletik.

Mit einer Bestzeit von 10,9 Sekunden im Trikot von Salamander Kornwestheim in den letzten 18 Jahren vom Sprinter zum Dauerläufer als langjähriger Funktionär im Ehrenamt geworden – Was ist in dieser Zeit passiert?

Jürgen Scholz:

Wir haben in Württemberg unzählige Deutsche Meisterschaften ausgerichtet, von den Aktiven-Meisterschaften in Ulm oder Deutsche Jugendmeisterschaften in Heilbronn, Deutsche Mehrkampfmeisterschaften in Bietigheim sowie Deutsche Hallenmeisterschaften in Sindelfingen. Der WLV hat damit seinen Ruf als exzellenter Ausrichterverband, den er schon 1965 beim Europacup, 1986 den Europameisterschaften, der WM 1993 und den Weltfinals 2006 bis 2008 in Stuttgart begründet, immer wieder bestätigt.

Welche sportlichen Ereignisse sind zu erwähnen?

Jürgen Scholz

Athletinnen und Athleten im Aktiven- und Jugendbereich des WLV haben allein in meiner Ägide über 550 DM-Titel gewonnen.

Welche weniger erfreuliche Ereignisse hatten Sie zu registrieren?

Jürgen Scholz:     

Unser Stadion, das große Gottlieb-Daimler-Stadion hier in Stuttgart, ist weg für die Leichtathletik, das war eine sehr bittere Erfahrung. Ich habe damals am 14.September 2008 nach dem letzten Rundendurchlauf beim Weltfinale versucht, die Rundenglocke mitzunehmen. Man hat mir die Abschiedsglocke dann aber doch entzogen. Das war für die Leichtathletik in Baden-Württemberg doch ein starker Rückschlag. Wir haben zwar mit dem Donaustadion in Ulm ein Stadion, in dem wir Deutsche Meisterschaften durchführen können, wir haben mit Heilbronn ein leistungsfähiges Stadion, aber für die Infrastruktur hat der Verlust des Daimler-Stadios in Stuttgart sehr weh getan.

Gibt es weitere Tiefpunkte in Ihrer Ära?

Jürgen Scholz:

Das war sicher das Ende des Sparkassencups in der Schleyer-Halle. 25 Jahre war es das weltbeste Hallenmeeting mit allen Topstars, die es in der Leichtathletik gab. Leider macht die Welt-Leichtathletik seitdem einen Bogen um Stuttgart. In diese Reihe gehört leider auch, dass es das weltbeste Hochsprungmeeting in Eberstadt nach 40 Auflagen nicht mehr gibt. Wir haben aber auch Lichtblicke. Dazu zählt die bundesweit wohl einmalige Aufrüstung der Molly-Schauffele-Halle als Bundesstützpunkt.    

Die Verbände Württemberg und Baden haben sich in den letzten Jahren angenähert, mit welcher Absicht?

Jürgen Scholz:

Um gemeinsam mit Baden eine Infrastruktur in der Trainer-Aus- und Weiterbildung, im Nachwuchsbereich und im Wettkampfbereich zu schaffen, die wir so noch nie hatten. Wir liegen im Leistungssport zudem im DLV mit vorne.

Die Mitgliederzahlen sind von 110.000 (2004), über 112.000 (2006) bis heute auf 93.700 gefallen. Das ausgegebene Ziel 120.000 haben Sie nicht geschafft. Ist das auch ein Indiz für den nachlassenden Stellenwert der Leichtathletik?

Jürgen Scholz:

Nein. Ich denke, wir haben in unserer Sportart einen hohen Anteil an nichtorganisierten Sportlern wie die Läufer. Die EM in München hat gezeigt, wie motivierend die Leichtathletik sein kann.

Wo steht der WLV in Sachen Breitensport?

Jürgen Scholz:

Da glaube ich, dass wir der am breitesten aufgestellte Verband sind. 2.500 Lauftreff- und Walking-Betreuer, 800 Trainer im Bereich der Kinderleichtathletik belegen dies. Wir waren im Bereich der Kinderleichtathletik mit den von Fred Eberle maßgeblich entwickelten Konzepten federführend. Eine Erfolgsgeschichte ist der Stuttgart-Lauf mit teilweise über 20.000 Teilnehmern.

Wer waren denn Ihre herausragende württembergischen Athleten in der 18-jährigen Amtszeit?

Jürgen Scholz:

Au, das ist ganz schwer zu sagen. Ich denke aber, dass Tobias Unger, den ich im olympischen Finale von Athen 2004 über 200 Meter gesehen habe, zu nennen ist. Bei den Frauen ist dies Nadine Hildbrand, die fünfmalige Deutsche Meisterin geworden ist und heute als Aktivensprecherin im DLV-Präsidium sitzt.

Mit welchen Initiativen wartet der WLV im Bildungsbereich auf?

Jürgen Scholz:

Seit fünf Jahrzehnten findet in Schwäbisch Gmünd mit dem Nikolaus-Lehrgang und herausragenden Referenten aus dem aktiven Bereich und einer Riesenbeteiligung an Trainern und Übungsleitern eine außergewöhnliche Veranstaltung statt. Wir haben während Corona viele digitale Veranstaltungen im Bildungsbereich erfolgreich durchgeführt.

2004 in Bad Liebenzell zum WLV-Präsidenten gewählt, 2022 in Bad Liebenzell der Abschied aus diesem Amt – was bleibt nach 18 Jahren bei Jürgen Scholz zurück?

 Jürgen Scholz:

Viele schöne Ereignisse und: einmal Lichtathletik, immer Lichtathletik.

Raus aus einem Amt, rein in das nächste als LSV-Präsident, dem höchsten Amt des freien Sports auf Landesebene. Was sind die Aufgaben und Ziele?

Jürgen Scholz:

Nach Corona-Krise und jetzt Energie-Krise sollten wir baldmöglichst wieder in einen normalen Modus kommen. Und dabei müssen wir als freier Sport mit einer Stimme reden.


Jürgen Scholz  (61), verheiratet, zwei Kinder, Bürgermeister in Sersheim (Kreis Ludwigsburg) seit 32 Jahren, ehemaliger Sprinter Salamander Kornwestheim (10,9 sec), WLV-Präsident 2004 bis 2022, WLV-Breitensportwart (2002 bis 2004), Präsident des Süddeutschen Leichtathletik-Verbands 2008 bis 2011, DLV-Vize-Präsident 2009 bis 2013, Mitglied im Landesausschuss Leistungssport, seit Juli 2022 Präsident des LSV Baden-Württemberg. 

 

Das ausführliche Gespräch zwischen Jürgen Scholz und Ewald Walker als Video finden Sie nachstehend.


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