Die Sommernachsträume des Zehnkämpfers Arthur Abele

  18.08.2022    WLV Top-News WLV BW-Leichtathletik Top-News BW-Leichtathletik Leistungssport
Er gewann keine Medaille mehr, hatte aber alle Sympathien des Publikums gewonnen. Vier Jahre nach seinem EM-Titel von Berlin ist Arthur Abele mit Ovationen verabschiedet worden.

„König Robert geht, King Arthur kommt“. Das war die Schlagzeile bei der EM 2018, als Robert Harting im Berliner Olympiastadion die Leichtathletik-Bühne verließ und Arthur Abele sensationell Zehnkampf-Europameister wurde. Vier Jahre später ist das Münchner Olympiastadion Schauplatz der nächsten Wachablösung: King Arthur ging und König Niklas Kaul betrat als sechster deutscher Europameister im Zehnkampf in einer euphorisierten Stimmung die  Bühne.

Nein, Arthur Abele (SSV Ulm 1846) kämpfte in München nicht mehr um Medaillen. Sein 15. Platz mit 7.662 Punkten hat nur statistischen Wert. Der Abschied für Abele aber war etwas für die Geschichtsbücher. Wohl noch nie hat ein deutscher Leichtathlet einen solchen zweitägigen Abschied von der Bühne des Leistungssports erhalten wie der 36-jährige Ulmer.

„Das war ein traumhafter Abschluss meiner langen Karriere, ich bin emotional völlig zerstört“, stammelte Abele in die Mikrofone hinter der Ziellinie seines 14. Zehnkampfes. Es sei vieles schief gegangen, in seinem letzten Zehnkampf, aber das Publikum habe ihn nach zehn Disziplinen getragen, blinzelte er den Beobachtern zu.

24 Jahre, also zwei Drittel seines Lebens habe er mit dem Mehrkampf zugebracht. „Ja, ich habe Zehnkampf gelebt“, meinte der fast entrückte Schwabe und „Ich kann mein Glück kaum fassen“, sagte er stockend. „Ich bin überglücklich, es ist nicht fassbar, was in diesen beiden Tagen von München  passiert ist“, sagte der Schützling von Christopher Hallmann, und immer wieder stockte die Sprache. Er dachte auch nochmal an seinen Sindelfinger Trainer Martin Seeger.

Hinter der Ziellinie begann 2018 mit Tränen in den Augen bei der DLV- Pressekonferenz die 11. Disziplin: der Medien-Marathon und eine völlig neue öffentliche Wahrnehmung. Bei der EM in München bekam Abele das zurück, was er zuvor in seine Disziplin investiert hatte.  

Die Sommertage an der Spree haben viel Sonne in das Leben des Arthur Abele gebracht. Das war nicht immer so. Seine sportliche Karriere war immer wieder durch Verletzungen und Brüche gekennzeichnet. Abele stammt aus Hüttlingen bei Aalen, von wo auch Hindernis-Weltmeister Patriz Ilg herkommt. Hannes Lockenvitz brachte ihm die Leichtathletik bei, über den SSV Ulm kam er zum VfL Sindelfingen, zu Wolfgang Beck und zu Christopher Hallmann und wieder zurück zum SSV Ulm 1846.  Abele war 2007 bei der WM in Osaka, 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking. Doch der große Durchbruch blieb aus. Sein Körper war anfällig. 2016 dann ein Achillessehnenriss. Im Dezember dann eine Gesichtslähmung. „Ich dachte, ich habe einen Schlaganfall“. War es Gottseidank nicht, sondern ein Infekt, der sich auf den Gesichtsnerv niederschlug.

„Willensstark, manchmal auch ein „ostalblerischer Dickkopf, ein typischer Schwabe eben“, kennzeichnet ihn sein langjähriger Mentor Wolfgang Beck. Zehnkampf ist die Verkörperung der Individualität, und doch ist sie von Teamgeist in bester Form geprägt. Das hat München eindrucksvoll gezeigt. Als Abele beim 110 Meter-Hürdenlauf wegen eines angeblichen Fehlstarts disqualifiziert wurde, schien sein Abschied verhagelt, mit Tränen ging er von der Bahn. Nach einem erfolgreichen DLV-Protest kam der „Oldie“ mit einem Sololauf in den Wettkampf zurück und kostete bei jeder Aktion im Zehnkampf die Ovationen des Publikums aus.

Mit der längsten Ehrenrunde, die er jemals nach dem 1.500 Meter Lauf allein beschritt, verabschiedete sich ein sympathischer Athlet vom Leistungssport. Die 14 Konkurrenten bildeten wenige Meter vor der Ziellinie ein Spalier mit Dach, durch das sie Abele hindurchschickten und feierten. Eine große Geste für den Spirit in der Leichtathletik. In den Katakomben des Olympiastadions warteten zwei Dutzend Volunteers auf den gerade abgetretenen „King Arthur“ und ließen ihn hochleben. Der zweite Sommernachtstraum im Leben des Arthur Abele war hier zu Ende gegangen.


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Ewald Walker / wlv