Der Mann hinter der Goldmedaille
Uli Knapp hatte Tränen in den Augen, als er Malaika Mihambo auf der Tribüne des Hayward Field Stadions in die Arme schloss. Zum vierten Mal hatte Malaika Mihambo Gold bei einem internationalen Großereignis gewonnen. Allein Heike Drechsler war erfolgreicher.
Mihambo, das ist inzwischen eine filmreife Story. „Malaika war noch nie in einer so tollen Form wie hier in Eugene“, strahlte der 62-jährige Schattenmann hinter den Erfolgen von Mihambo in der Abendsonne von Oregon. „Ich bin einfach froh, einen so feinfühligen, netten ausgeglichenen Mann an meiner Seite zu haben,“ signalisierte die zweifache Sportlerin des Jahres, mit ihrem Trainer einfach nur glücklich zu sein.
Knapp ist nicht nur ein kompetenter Trainer, wenn es um die Belange des Weitsprungs geht - die Trainingsgestaltung, die Biomechanik, die Wettkampfplanung - der Saarländer an Mihambos Seite besitzt auch im psychologischen Bereich besondere Fähigkeiten. Mihambo zeigte nach zwei ungültigen Versuchen im Vorkampf Nervenstärke. Mit einem Sicherheitssprung auf 6,98 Meter übernahm sie in Eugene die Führung und segelte mit 7,09 und 7,12 Meter zum WM-Gold. Erstaunlich: die Popularität Mihambos wurde auch im WM-Stadion mit vielen Beifallsbekundungen spürbar. Das amerikanisierte „Mihämbo“ schwabbte durchs Publikum.
„Ich habe viel Selbstvertrauen gewonnen in meiner Karriere“, präsentierte sich der „Goldengel“ der deutschen Leichtathletik in der Mixedzone den Journalisten. Ulli Knapp hatte ihren Wettkampf von der Tribüne aus begleitet. Nach jedem Sprung geht Knapp runter an die Bande, korrigiert, motiviert, gestikuliert. „Wenn man es schafft, so eine gute Bindung aufzubauen, dann ist es einfacher, auch im Wettkampf zusammen arbeiten zu können“, räsoniert „Gold-Malaika“ über die Hintergründe ihres Erfolgs.
Wichtig sind der 28-Jährigen nicht nur weite Sprünge und Titel zu gewinnen, sondern auch die Qualität auf dem Weg dahin. Und da bringt der Mann, der nun seit 24 Jahren Bundestrainer im Weitsprung ist, vieles ein. „Er ist einer, der immer gute Laune an alle versprüht, immer mit Lockerheit ins Training kommt“ plaudert Mihambo aus dem Nähkästchen.
Knapp bringt auch musikalische Fähigkeit in seine Trainerarbeit ein. Oft hat er seine Gitarre dabei, und unterhält Athleten und Trainer mit „Lagerfeuermusik“. Nach Eugene war der „Trainer aus Berufung“ ohne Gitarre angereist. Dafür setzte er sich am Mittag vor dem großen WM-Finale im Physiobereich ans Klavier: „Imagine, Yesterday, Let it be“ – die großen Hits aus Knapps früherem Leben spielte er für Malaika und ihren Physio. Eine Einstimmung in den Wettkampf, wie sie in keinem Lehrbuch steht.
„Ich freue mich, dass ich diesen Weg gehen darf“ war Mihambo nach ihrem neuerlichen Triumph sehr relaxed. Im Stadion machte sie auf der Ehrenrunde Jubelsprünge, genoss ihre Popularität und ihren neuerlichen Sieg.
Amerika? Natürlich geisterte in Eugene immer wieder auch die Frage, ob Mihambo doch noch zu Carl Lewis nach USA wechseln wird. „Natürlich ist der Wechsel in die USA ein Thema“, antwortet Knapp direkt. „Wir werden wohl Ende des Jahres für vier Wochen unseren Trainingsstandort nach Florida verlegen, Malaika und ich gemeinsam“ ist der Trainer gelassen und zielbewusst. Lance Braumann ist in Clermont Sprint-Guru, bei dem auch Gina Lückenkemper trainiert.
Ulli Knapp zählt zu den stillen Stars der Leichtathletik: sie stehen meist im Hintergrund, ohne sie aber wären die Erfolge der Athleten nicht möglich. „Ulli hat sich viele Gedanken zu meinen Trainingsplänen gemacht und bringt dafür unheimlich viel Erfahrung in unsere Zusammenarbeit ein“, sagt die zweimalige Sportlerin des Jahres.
Er hat als aktiver Mehrkämpfer seinen Weg in der Leichtathletik begonnen und hatte schon im Jugendalter die Verantwortung für eine Trainingsgruppe übernommen. Nach dem Diplomstudium Sport in Saarbrücken war der Weg in die Trainerlaufbahn vorgezeigt. „Trainer war wie eine Berufung“, sagt er, und der Pfälzer hat sie bis heute gelebt, und dabei eine ganze Reihe herausragender Athleten trainiert.
Speerwerfer Boris Henry führte er zu dessen erster internationaler Bronze-Medaille bei der WM 1995 in Göteborg. „Ulli Knapp war ein Trainer, der sehr gut motivieren konnte und mit seiner lustigen Art immer für gute Stimmung gesorgt hat“, erinnert sich Boris Obergföll. Heute sind die Beiden Bundestrainer nebeneinander. Ulli Knapp führte 2010 in Barcelona Christian Reif zum Europameister. „Er war der geborene Athlet für diese Disziplin, keiner hatte ein größeres Talent“, schwärmt er noch heute.
„Eine herausragende Athletin war für mich auch Bianca Kappler“, sagt Knapp. Die große Blonde aus dem Saarland holte bei den Hallen-Weltmeisterschaften 2005 in Madrid Bronze, nachdem man ihr mit einem Messfehler eine 6,96 Meter beschert hatte. Ihre bemerkenswerte Korrektur („So weit kann ich doch gar nicht springen“) wurde mit der Bronzemedaille und dem Fairness-Preis der Deutschen Olympischen Gesellschaft belohnt.
Sein Hauptaugenmerk aber gilt der Olympiasiegerin und zweifachen Weltmeisterin Malaika Mihambo. Sie wieder in Richtung der 7,30 Meter-Siegesweite von Doha zu bringen, sei das Ziel. Die Schnelligkeitswerte hat sie bereits gesteigert.
Im Vorfeld gabs noch eine kitzlige Situation zu überstehen: Zehn Tage vor Eugene hatte sich Knapp Corona eingefangen, musste sich aus dem Training herausnehmen… Und dann gabs da auch einen kleinen Trainingsunfall. Bei Steigeübungen mit der Hantel fing sie sich ein Rückenproblem ein, weil die Hantel ihr auf den Rücken fiel. Bei ihren Flügen im Hayward Field war da erfreulicherweise nichts mehr zu spüren.
Malaika Mihambo und Ulli Knapp, das Erfolgsgespann der deutschen Leichtathletik.